Dringender Reformbedarf

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Dringender Reformbedarf

HAUPTVERSAMMLUNG Zeitaufwendige Formalien, starre Abläufe, stundenlange Generaldebatten sowie zeitaufwendige Frage- und Antwortrunden: So unattraktiv präsentiert sich die deutsche Hauptversammlung (HV), die eigentlich dem offenen und lebendigen Austausch zwischen Gremien und Aktionären dienen sollte.

von Thomas Wagner, Vorstand, Better Orange IR & HV AG

Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) legte 2024 Vorschläge vor, die innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens eine straffere und effizientere Hauptversammlung ermöglichen könnten. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) brachte ebenfalls Ideen ein, um die deutsche HV im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger zu machen. Dafür wäre jedoch eine Änderung des Aktiengesetzes erforderlich. Und um es vorwegzunehmen, die deutsche HV bedarf auch unserer Meinung nach dringend einer Reform.

Spannungsfeld „Generaldebatte“
Laut DCGK sollte eine Hauptversammlung idealerweise nach vier bis sechs Stunden beendet sein. In der Praxis ist das für den Versammlungsleiter jedoch eine echte Herausforderung, insbesondere wenn zahlreiche Redner auftreten, umfangreiche Fragen gestellt werden oder einzelne Teilnehmer gezielt die Grenzen des Fragerechts ausloten. Besonders problematisch wird es, wenn Redebeiträge nicht zur Tagesordnung passen oder gezielt provozieren sollen.

Redezeitbeschränkungen wiederum sind rechtlich riskant und unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung schwer durchzusetzen. Daher werden auch sachfremde Fragen meist geduldet, wenn auch häufig nur knapp oder gar nicht beantwortet, was die Versammlung weiter in die Länge zieht. Denn selbst kleine Versäumnisse oder unvollständig beantwortete Anfragen können über eine Anfechtungsklage zur Nichtigkeit von HV-Beschlüssen führen. Der Spagat zwischen Rechtssicherheit und effizienter Durchführung bleibt da eine Gratwanderung für den Versammlungsleiter.

Was das Aktiengesetz bisher schon zulässt, ist, bei der Beantwortung von Fragen auf bereits veröffentlichte Informationen im Internet zu verweisen oder die Auskunft zu verweigern – sofern die Inhalte mindestens sieben Tage vor der HV online standen und dort abrufbar bleiben. Komplexer wird es, wenn daraufhin Nachfragen entstehen oder Erläuterungen gefordert werden. Effizienzsteigerungen wären auch schon jetzt durch die Bündelung gleichartiger Fragen, einen gestrafften Leitfaden für den Versammlungsleiter oder kürzere Ausführungen des Aufsichtsrats mit Verweis auf den schriftlichen Bericht möglich.

Reform erforderlich
Das DAI wiederum setzt sich für eine gezielte Reform des Beschlussmängelrechts ein. Kernforderung ist die Beschränkung der Anfechtbarkeit von HV-Beschlüssen auf gravierende Fehler bei der Auskunftserteilung. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, Fragen bereits im Vorfeld der HV einzureichen. Mit der Freiheit für Unternehmen, selbst zu entscheiden, ob, wie und wann sie diese beantworten.

Ein weiterer Vorschlag betrifft die rechtzeitige Bekanntmachung von Anträgen, um Zufallsmehrheiten zu vermeiden. Anträge sollen grundsätzlich 14 Tage vor der HV veröffentlicht werden, während Aktionärsanträge während der HV nur noch eingeschränkt zulässig sein sollen. Auch die verkürzte Beschlussfeststellung soll nach Ansicht des DAI gesetzlicher Standard werden.

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